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grau
) am Boden des Ozeanbeckens. Vom Oberjura bis
in die Unterkreide wurden an den Rändern des neu ent-
standenen südpenninischen Ozeans Flyschsedimente
(
rot
)
abgelagert. Ob es sich dabei um den rhenodanu-
bischen Flysch handelt, oder ob dieser später im nord-
penninischen Ozean entstanden ist, ist umstritten. Das
Schelfmeer des südlichen kalkalpinen Trogs begann zu
dieser Zeit langsam abzusinken und bildete ein Mosa-
ik aus tiefen Ozeanbecken sowie seichten Schwellen.
Aus grau gefärbten Schlammablagerungen der Tiefsee
entstanden die etwa hundert Meter mächtigen Allgäu-
und Aptychenschichten. Im Norden des südpennini-
schen Ozeans, dem europäischen Archipel, setzten sich
im Oberjura Tiefwasserkalke des Helvetischen Ablage-
rungsraumes ab, im seichten Mittelpenninikum (
MP
)
Flachwasserkalke.
Beginnend im mittleren Jura entstand nördlich der mit-
telpenninischen Schwelle durch tektonische Vorgänge
eine weitere Bruchzone: Das Auseinanderweichen und
Einsinken der kontinentalen Kruste führte zur Entste-
hung des nordpenninischen Ozeans (
NP
). Dieser ent-
fernte in der Unterkreide in zunehmendem Maße das
Mittelpenninikum vom Helvetischen Trog (
3
). Im nord-
penninischen Ozean entstanden aus Sandstein und
Ton Flyschablagerungen (
rot
), während im seichten
Ablagerungsraum des Helvetikums und der mittelpen-
ninischen Schwelle Mergel, Kalk und Sand als Flachwas-
serkalk (
grün
), beispielsweise Schrattenkalk, sedimen-
tierten.
Angetrieben durch das Auseinanderdriften der Konti-
nentalschollen schloss sich im weiteren zeitlichen Ver-
lauf der südpenninische Ozean, der bereits in der Unter-
kreide nach und nach unter dem alpinen Sockel zu ver-
schwinden begann. Während dieses Subduktions-Pro-
zesses wurden die Flyschablagerungen aus dem Becken
gepresst und gefaltet oder teilweise überfahren und in
die Tiefe gerissen. Durch eine Verkürzung des Ozeanbo-
dens lösten sich riesige Mengen der kalkalpinen Sedi-
mentschichten (
gelb
) vom kristallinen Untergrund und
wurden wie mit einer Planierraupe zunächst im Bereich
der Nordalpen unter Wasser als
Deckenstapel
über-
einandergeschoben (
4
), ein Teil der alpinen Sedimente
glitt in ein tiefes Meeresbecken. Die unzusammenhän-
genden Gesteinsverbände des Ultrahelvetikums (
Lie-
bensteiner Decke
) entstanden in der Unterkreide und
im beginnenden Tertiär am Südrand des Helvetischen
Troges, die des
Feuerstätter Flyschs
in der Oberkreide
und im frühen Tertiär.
Im Tertiär (
5
), als sich der kalkalpine Trog durch die ste-
te Annäherung des afrikanischen Kontinents weiter
verkürzte, schloss sich der penninische Ablagerungs-
trog vollständig, wodurch die Helvetischen Sedimente
(
grün
)
überfahren und die kalkalpinen Ablagerungen
im Bereich der Zentralalpen gestapelt wurden. Bei der
Verschiebung der alpinen Decken von ihrem Entste-
hungsort aus nach Norden dienten die aus ihrem Trog
gepressten Flyschablagerungen als „Schmiermittel“.
Schließlich wurden im Bereich des heutigen Allgäus
der penninische Ozean vollständig und der Helvetische
Ablagerungstrog fast komplett unter den vom Süden
verschobenen Gesteinsmassen begraben. Verkürzung
und Subduktion schritten auch im jüngeren Tertiär (
6
)
weiter fort. Im Gebiet der heutigen Zentralalpen drang
Gesteinsschmelze empor (
7
) und erstarrte zu tertiärem
Tiefengestein (
schwarz
). Die größte Anhebung der Al-
pen erfolgte vor etwa 100 und vor 40 Millionen Jahren.
Verursacht durch das Gewicht des entstehenden
Decken-Falten-Gebirges
senkte sich der
Molassetrog
am Nordrand der Alpen. Dieses Becken hatte eine Län-
ge von etwa 600 Kilometern, eine Breite von 120 Kilo-
metern und ist heute mit einer vier bis sechs Kilometer
mächtigen Schichtfolge aus Abtragungsschutt der Al-
pen (
braun
) verfüllt. Man kann sich vorstellen, dass die
Alpen im Laufe dieser Zeit um Kilometerbeträge ange-
hoben worden sein mussten, um solch ein gigantisches
Becken mit erodiertem Material aufzufüllen. Das Gebiet,
in dem die Alpen entstanden, wurde seit der Trias sehr
stark, insgesamt auf weniger als die Hälfte der ursprüng-
lichen Ausdehnung, verkürzt (
vergleiche 1 mit 7
).
Kalkalpin wurde mit einer Geschwindigkeit von einigen
Zentimetern pro Jahr insgesamt um viele Hundert Kilo-
meter nach Norden verfrachtet, somit sind Berge, wie
beispielsweise der Hochvogel, eigentlich„made in Italy“.
Flysch wurde nicht ganz so weit transportiert, aber es
waren deutlich mehr als hundert Kilometer.
Die Alpen sind ein relativ junges Gebirge, das durch
schroffe Felswände, scharfe Grate und steile Täler ge-
kennzeichnet ist und dessen Bruchstellen wenig geglät-
tet und Gefälle wenig ausgeglichen sind. Das eigentli-
che Modellieren von Tälern, Graten und Gipfeln erfolgte
durch Erosion. Die Gletscher sorgten für den Grobschliff,
den Feinschliff erledigten Frost-Tau-Zyklen, durch die
kleinere und größere Gesteinsstücke vom Gebirge her-
ausgelöst und als Erdrutsch, Mure, Lawine oder über
die Gebirgsbäche zu Tal befördert wurden. Unablässig
verfüllte das erodierte Material den Molassetrog des Al-
penvorlands. Auch die Gletscher der Kaltzeiten haben
das Gesicht der Allgäuer Berge und Täler wesentlich
geprägt. Noch heute wachsen die Alpen jährlich um
ein paar Millimeter, jedoch steht der Zuwachs mit der
Abtragung durch Erosion und Verwitterung im Gleich-
gewicht.
Lage der Deckenstapel in den Allgäuer Alpen:
Durch die starke tektonische Einengung innerhalb der kalkalpi-
nen Kreide wurden die Deckenschichten übereinandergeschoben, so dass sich heute die nördliche Randschuppe
unter der Allgäudecke befindet, die wiederum von der Lechtaldecke überschoben wurde. Viele Berge des Allgäuer
Hauptkammes wie Mädelegabel, Hochvogel oder Zwiebelstränge (siehe unten) zeigen diese Schichtung besonders
deutlich an ihren Nordseiten. Im Norden schließen sich Flysch, Helvetischer Kalk und Molasse an, die auch größten-
teils überfahren und gefaltet wurden. Die zum Kalkalpin gehörenden Decken sind grau unterlegt. Die Abfolge der
einzelnen Einheiten konnte durch Tiefenbohrungen bestätigt werden. (vereinfacht nach Scholz, 1995)
Zeugnisse der tektonischen Vorgänge:
In den Allgäuer Alpen sind die tektonischen Falten meist nach Norden geneigt (
nordvergent
), so dass viele
Berge an ihrer„sanfteren“ Südflanke flacher und mit Gras bewachsen (
links
), an ihrer Nordseite hingegen schroff und
steil abfallend sind, wie hier am östlichen Ausläufer des Hochvogels (
rechts
).
Kaum vorstellbar sind die enormen Kräfte, die für die Auffaltung von Gesteinsschichten mit einer Mächtigkeit
von mehreren Hundert Metern notwendig waren. Man beachte die nahezu rechtwinklige Faltung eines Flysch-
Aufschlusses am Riedbergpass.
Der mit Matten bewachsene Bergsockel besteht aus jurassischem Fleckenmergel der Allgäudecke, der vom
HauptdolomitderLechtaldeckeüberschobenwurdeunddiedarüber liegendenschroffenFelsenvon
Kratzer
(2.428m),
Trettachspitze
(2.595 m),
Mädelegabel
(2.645 m),
Hochfrottspitze
(2.649 m) und
Bockkarkopf
(2.608 m) bildete.