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Pflanzen der Waldgesellschaften (7):
Die
Türkenbundlilie
(
Liliummartagon
§;
S. 573) besitzt
Zugwurzeln
, um die Tiefe der Zwiebel in der Erde
zu verändern. Auffällig und charakteristisch sind die turbanähnlichen und besonders nachts wohlriechenden
Blüten sowie die wirtelige Stellung der Laubblätter. Die Blüten werden fast ausschließlich schwebend von
Schwär-
mern
bestäubt, da das Landen und Festkrallen auf den überhängenden, glatten Blüten für die meisten Insekten
nicht möglich ist. Die Lilie gedeiht in Wäldern, Schluchten und Tobeln, aber auch auf Hochstaudenfluren. Sowohl
der Türkenbund als auch der
Hasenlattich
(
S. 186) werden gerne von Rehen gefressen.
Die
Ästige
oder
Kleine Graslilie
(
Anthericum ramosum
§;
S. 577) kommt in lichten Nadelwäldern, aber auch
auf Matten und Streuwiesen vor, wird aber auch als Zierpflanze kultiviert.
Die
Vierblättrige Einbeere
(
Paris quadrifolia
;
S. 570) hat auch manchmal drei oder fünf netznervige Laub-
blätter. Die für den Menschen als giftig geltenden Früchte und andere Pflanzenteile der Einbeere enthalten
Steroid-Saponine
und können Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslösen.
Der
Wald-Goldstern
(
Gagea lutea
;
S. 568) oder
Gelbstern
enthält wie die Tulpe im äußeren Teil der Zwiebel
antibiotisch wirksame
Tuliposide
zum Schutz vor Fäulnisbakterien und Fraß, die beim Menschen Hautreizun-
gen auslösen können. Der Frühblüher mit den kapuzenförmig verwachsenen Blattspitzen wächst oft in Gesellschaft
mit Bärlauch (
Allium ursinum
; siehe unten). Als
Geophyten
werden Pflanzen wie Lerchensporn, Wald-Goldstern,
Herbst-Zeitlose, Schneeglöckchen, Märzenbecher oder Narzisse bezeichnet, die die meiste Zeit des Jahres unsicht-
bar und verborgen in der Erde verbringen. Bereits zeitig im Frühjahr entwickeln sich die oberirdischen Pflanzenteile
aus den gespeicherten Reservestoffen der Zwiebel, Knolle oder des Wurzelstocks und da die Laubbäume noch
keine Blätter haben, steht den krautigen Pflanzen am Waldboden nun selbst im dichten Wald für wenige Wochen
ausreichend Licht zur Verfügung.
Der
Gefleckte Aronstab
(
Arummaculatum
;
S. 570) besitzt nur zwei gestielte, pfeilförmige Blätter, die dunkel
gesprenkelt sein können. Die einhäusige und getrenntgeschlechtliche (
monözische
) „Blüte“ hat keine Blüten-
hülle und dient als
Kesselfalle
zum Fangen von Insekten zur Bestäubung: Angezogen durch einen unangenehmen
Geruch nach Exkrementen oder Aas, der vom sogenannten Kolben (
Spadix
) abgegeben wird, setzt sich ein Insekt,
meist eine Fliege, auf das rutschige, gelbgrüne Hochblatt (
Spatha
), von dem es in den reusenartigen Kessel an der
„Blütenbasis“ gleitet. Umhüllt von der Spatha befinden sich unten weibliche und darüber männliche Blüten (
vierte
Reihe links
). An der engsten Stelle der Spatha weist ein Borstenkranz nach innen, was einer Fliege zwar den Zugang
zur Blüte ermöglicht, jedoch ein Entkommen verhindert. Auf diese Weise werden Fliegen sehr effektiv und in großer
Zahl in der Blüte gefangen, wie der Vergleich der präparierten Blüten zeigt. Erst nach der Bestäubung der Blüten
welken die Borsten am Reuseneingang und geben den Weg wieder frei. Als Dankeschön wird der unfreiwillige Blü-
tenbesucher während der mehrstündigen Gefangennahme mit Nektar versorgt. Den Aronstab findet man in lichten
Laub- und Mischwäldern. Früchte (
Mitte
), Knollen und andere Pflanzenteile wirken stark schleimhautreizend, wobei
unklar ist, ob die Wirkung allein auf die enthaltenen
Oxalate
zurückzuführen ist.
Wegen seines aromatischen Geschmacks werden die Laubblätter des
Bärlauchs
(
Allium ursinum
;
S. 577) als
Küchenkraut in Salaten verwendet. Die Nutzung der Pflanze hat in den letzten Jahren eine wahre Renaissance
erfahren, so dass die Bestände durch Übernutzung mancherorts gefährdet sind und die Art lokal unter Schutz ge-
stellt wurde. Beim Sammeln für den Eigenbedarf - das gewerbsmäßige Sammeln ist genehmigungspflichtig - sollte
lediglich ein Blatt pro Pflanze entfernt und die Zwiebeln nicht geerntet werden. Gelegentlich werden anstatt der
Bärlauchblätter die giftigen Aronstab-, Maiglöckchen- oder Herbst-Zeitlosenblätter gesammelt - unter Umständen
mit fatalen Folgen.
Vergleich der Laubblätter von
Bärlauch
(
links
),
Maiglöckchen
(
Mitte
) und
Herbst-Zeitlose
(
rechts
). Charak-
teristisch für Bärlauchblätter sind der intensive Knoblauchgeruch und die fehlende Blattscheide. Ferner haben
die drei Arten ganz unterschiedlicheWuchsstandorte, so dass lediglich im Hausgarten kultivierte Maiglöckchen und
Bärlauch nebeneinander vorkommen und verwechselt werden können.
Blüten
Hochblatt (Spatha)
Borsten
Kolben
(
Spadix
)