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Nikolaus 6. Dezember
Der traditionelle Nikolaus unserer Gegend ist kein Kinderschreck und
auch kein Weihnachtsmann mit einer Zipfelmütze. Die amerikani-
schen Weihnachtsmänner, die als Billig-Konsumware von Fernost im-
portiert werden und an den Hauswänden hochklettern, brauchen wir
eigentlich nicht, sie haben bei uns keinen Sinnhintergrund und keine
Tradition. Deshalb gibt es die Aktion „Weihnachtsmannfreie Zone“.
In Mussenhausen beim Schützenverein zieht traditionell am Nikolaus­
abend unter den vorweihnachtlichen Klängen der Musikkapelle der
­Bischof Nikolaus ein, zusammen mit mehreren Ruprechts und En-
gelchen im Ponygespann. Der Nikolaus schart die Kinder um sich
und erzählt ihnen eine Geschichte vom heiligen Nikolaus. Manche
Kinder haben für den Nikolaus ein Gedicht einstudiert. Für die bra-
ven Kinder hat der ­Nikolaus ein kleines Geschenk mitgebracht, die
Bösen aber bekommen die Rute des Knecht Ruprechts zu spüren. Mit
einer Tasse Glühwein können sich die Besucher aufwärmen und ge-
gen den Hunger werden heiße Würstchen angeboten. Anschließend
findet die Preisverteilung vom Klausenschießen statt.
In Erkheim finden am Wochenende vor dem Nikolaustag der Klau-
senmarkt und der Klausenumzug statt, mit Nikoläusen und vielen
Klausen, Fahr- und Reitergruppen und Musikkapellen. Nach einer
Nikolausfeier verteilen Klausen von einem Geschenkewagen Süßig-
keiten an die Kinder.
In Türkheim veranstaltet der Brauchtumsverein einen Umzug mit
Schreck einflößenden Klausen aus anderen Brauchtumsregionen.
Medien und Mobilität unserer Zeit ermöglichen es, ein regional ge-
bundenes Brauchtum für eine entsprechende Gage in Orten, die die-
sen Brauch nicht kennen, zu jeder Zeit zur Schau zu stellen. Heutzu-
tage ist dies besonders bei Faschingsumzügen und Klausenumzügen
zu beobachten. Fraglich ist, ob es einem Brauch dienlich ist, ihn in
einer anderen Region zur Sensation und zur Schaulust darzustellen.
Nikolaus 6. Dezember
bis ins 18. Jahrhundert, die Wahl eines Schülers zum Kinderbischof.
Um 1400 wurde dieser Brauch vom Fest der Unschuldigen Kinder
(28. Dezember) auf den 6. Dezember verlegt. Der Kinderbischof prüfte
auch das Betragen und das Wissen seiner Mitschüler, tadelte mit Ruten-
schlägen seines Knechtes und belohnte mit Geschenken.
Knecht Ruprecht ist der dienende Begleiter und bischöfliche Helfer. Als
pelzzotteliger, oft mit Ketten oder Glocken rasselnder, wilder Mann
ist er als böse Schreckgestalt der Kontrast zum braven, kirchlichen Bi-
schof ­Nikolaus und möglicherweise eine verselbständigte Mummenge-
stalt der wilden Klausen des südlichen Allgäus und der Perchten, die mit
Fellen, Geweihen und Hörnern verkleidet Hiebe mit Ruten verteilen.
Kindern, die nicht gehorsam
waren, wurde früher angedroht,
dass Knecht Ruprecht sie in seinen
Sack steckt. Eine solch drastische
unpädagogische Maßnahme ist
heute nicht mehr üblich.
Am Nikolausvorabend oder am
Nikolausabend besucht heutzu-
tage ein Erwachsener verkleidet
als
Bischof Nikolaus
mit Mitra
und Bischofsstab die Kinder, oft
noch in Begleitung von Knecht
Ruprecht, der den Tadel des
Nikolaus mit dem Schwingen
der Ruten unterstreicht. Bischof
Nikolaus liest aus dem Goldenen
Buch die guten und bösen Taten,
lobt und tadelt die Kinder und
beschenkt sie.
Bischof Nikolaus mit Knecht Ruprecht