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Schulaufgabe 1: Inhaltsangabe
hatte, steckte er sich mit einem Seitenblick auf Oma eine zweite an. Oma verzog keine Miene. Sie blickte
auf den See und beobachtete ein Entenpärchen, das nach seiner Abendmahlzeit tauchte.
Als Jan die zweite Zigarette geraucht hatte, schob er die Packung in die Tasche. Sofort fielen die Mücken
wieder über sie her. „Rauch weiter!”, rief Peter. Jan sah Oma fragend an. „Ja, rauch weiter,” sagte sie.
Jan fand wieder einmal, dass er die beste Oma der Welt hatte. Sie verstand, dass er nun bald ein Mann
war und dass es ihm zustand zu rauchen. Die dritte Zigarette schmeckte ihm allerdings nicht mehr so
gut. Es war gemütlich in der Bucht. Sie saßen im weichen Sand, plauderten von der Reise, überlegten,
wie man sie wohl zu Hause empfangen würde, und blickten auf den Wald und den See. Oma, Peter und
Brigitte knabberten die köstlichen Kekse, die Oma gestern gebacken hatte. Jan konnte leider nicht mit-
halten, weil er rauchen musste. Nach der dritten Zigarette sagte Oma: „Ich bin dafür, dass wir noch ein
bisschen sitzen bleiben. Es ist unser letzter Abend auf der Reise. Rauch noch eine, Jan.” Und als sie Jans
ungewissen Blick sah: „Oder ist es dir zuviel?” „Nein, nein”, sagte Jan hastig. „Das macht mir gar nichts
aus.” Um das zu beweisen, steckte er nach der vierten noch eine fünfte Zigarette an. Er hatte die fünfte
Zigarette erst halb aufgeraucht, da wurde ihm ganz seltsam im Kopf. Es schien sich alles um ihn zu dre-
hen. Und als Oma, Brigitte und Peter wieder fest vor ihm im Sand saßen, drehte sich ihm plötzlich der
Magen um. Er drückte hastig die Zigarette aus und verschwand mit einem Sprung in den Büschen. „Was
hat er denn?”, fragte Brigitte. Oma zuckte die Achseln. „Ich kann's mir gar nicht denken.”
Da es spät geworden war, gingen sie schlafen. Jan tauchte nach einiger Zeit wieder auf. Er war sehr blass
und etwas taumelig, beantwortete die Fragen von Peter und Brigitte nicht und ging sofort ins Bett. Aber
es wurde für ihn eine unruhige Nacht. Viermal musste er aufstehen und den Wagen eilig verlassen.
Am anderen Morgen sah er grün aus und verzichtete auf das Frühstück. „Mir muss gestern irgendwas im
Essen nicht bekommen sein”, murmelte er. Als sie weiterfuhren, saß er neben Oma auf dem Bock. „Armer
Junge”, sagte Oma. „Du hast so viel geraucht, um uns die Mücken zu vertreiben, und nun ist dir davon
schlecht geworden. Zigaretten sind eben doch ein scheußliches Gift. Man sollte das Rauchen aufgeben
und sich lieber von Mücken piken lassen, meinst du nicht auch?” Jan nickte, doch nach einer Weile sagte
er zögernd: ”Eigentlich schmeckt es mir gar nicht besonders gut, aber ich muss doch rauchen.” Oma sah
ihn interessiert von der Seite her an. „Warum musst du rauchen?” „Wenn ich nicht rauche, lachen mich
die anderen in meiner Klasse aus und sagen, ich wäre ein Schlappschwanz und ein kleines Kind, aber kein
Mann.” „Ach so! Aber ist es nicht viel männlicher, wenn du sagst, dass du nicht rauchen willst?” „Dann den-
ken sie, ich kann nicht rauchen, oder ich trau’ mich nicht.” „Erzähl ihnen, dass du einmal hintereinander
fünf Zigaretten geraucht hast, und wenn sie dir nicht glauben, schick sie zu mir. Ich werde ihnen sagen,
dass ich es selber gesehen habe.” Jans blasses Gesicht rötete sich etwas. „Prima, Oma! Ich werde ihnen
erzählen, dass ich wegen der Mücken geraucht habe, dass sie aber nur aus Angabe rauchen und dass ich
da nicht mehr mitmache.” „Du bist auf dem besten Wege dazu, ein Mann zu werden”, sagte Oma.
Ilse Kleberger
Die Fliege
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Nicht jeder Raum eignet sich zum Nachdenken, und wenn man viele Räume besitzt, muss man heraus-
finden, welcher von ihnen die Gedanken am meisten fördert. So oft der Sultan von Tubodin über etwas
nachsinnen wollte, begab er sich in die Grüne Kammer, legte sich auf ein Sofa und schloss die Augen; fast
immer kam er zu guten Einsichten. Allerdings musste es in der Kammer ganz, ganz still sein - vor allem
durfte dort nie eine Fliege summen, denn dieses Geräusch war dem Sultan verhasst.
Der Sklave Pontus hatte dafür zu sorgen, dass in die Grüne Kammer keine Fliege drang. Ein bequemes
Amt, wird mancher sagen, ein Faulenzerposten, wie er nur im Morgenland vergeben wird. Doch damit tut
man dem Sklaven Pontus unrecht. Zum einen hatte er sich das Amt ja nicht gewählt, sondern es war ihm,
der in seiner Heimat als kundiger Baumeister galt, vom Schicksal auferlegt worden, und er litt unter der
Erniedrigung. Zum anderen ist es gar nicht so leicht, im Orient Fliegen aus dem Zimmer zu halten. An
dem Tage, von dem hier berichtet wird, ruhte der Sultan in der Grünen Kammer auf dem Sofa und sann
vor sich hin. Pontus, der mit seiner Fliegenpatsche bei der Tür stand, war unruhig. Er wusste es nicht