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Wesensmerkmale und Sinn des Brauchtums
Wesensmerkmale und Sinn des Brauchtums
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mit Rhythmen zu leben, die unser Leben gliedern und einteilen.
Riten des Lebens, die regelmäßig wiederkehren, geben uns und vor
allem auch unseren Kindern Sicherheit und Geborgenheit. Dass
unser Leben eingebettet ist in ­Rhythmen, erleben wir selbst haut-
nah in den pulsierenden Herzschlägen, dem Aus- und Einatmen, im
Wachen und Schlafen, in Hunger und Sättigung, im Wechsel von
Tag und Nacht, in den Jahreszeiten, den Wochentagen, Monaten
und Jahren. Es gibt einen Rhythmus des Tages, einen Rhythmus des
Jahres und einen Rhythmus des Lebens. Die meisten Bräuche und
Feste orientieren sich am Ablauf des Jahres und des Kirchenjahres
oder an wesentlichen Stationen des Lebenslaufes.
Bräuche regeln den Ablauf, stecken den Rahmen ab, geben Spielregeln
vor und stellen Zeichen und Symbole als Sinngeber zur Verfügung.
Brauchtum wurzelt tief in der
Natur
, im Blühen und Fruchten, im
Vergehen und Absterben, i
m Lauf des Jahres
, im Verlauf des Sonnen-
lichtes und in den Abläufen des Kosmos,
im Lebenslauf
des Menschen
und in der
Geschichte eines Volkes
: So wie es Brauch und Sitte ist!
„Brauchtum ist
gemeinschaftliches Handeln
, das
von der Sitte gefordert
wird und
von der Tradition bewahrt
wurde. Es bringt einen
inneren Vor-
gang sinnbildlich zum Ausdruck
und ist funktionell an eine
bestimmte
Zeit
oder an eine
bestimmte Situation
gebunden.“
(Walter Plötzl)
Die meisten unserer Bräuche haben ihre Wurzeln im menschlichen
Wissen um ein höheres Wesen, das unser Dasein trägt und hält. In der
Brauchtumspflege erinnern wir uns daran und drücken damit auch
die
Dankbarkeit an unseren Schöpfer
aus.
Einige unserer Bräuche haben ihre Wurzeln in heidnischen Zeiten und
vorchristlichen Kulturen, sie sind bedingt durch den Lauf der Sonne,
durch natürliche und jahreszeitliche Erscheinungen. Viele Bräuche
kommen aus dem frühchristlichen und christlichen Glauben, der erst
Wesensmerkmale und Sinn des Brauchtums
Jeder Mensch ist auf Suche nach einer Heimat, nach einem Bereich,
den er kennt, in dem er sich auskennt und in dem er Anerkennung
findet. In ­diesem sozialen Feld menschlicher Beziehungen fühlt er sich
aufgenommen, angenommen und ernstgenommen, hier kann er mit-
machen, ­mitgestalten und Verantwortung übernehmen. Hier fühlt er
sich sicher und geborgen und findet seine persönliche Identität.
Behilflich sind ihm bei dieser Suche nach Beheimatung feste
Gewohnheiten, gemeinsame Rituale und Bräuche als geistig-seelische
„Lebensmittel“
.
Feste, Feiern und Bräuche verschönern und erleichtern das Leben, sie
sind für den Menschen lebensnotwendig und lebensförderlich, sie dienen
der
Lebensfreude
und der
Lebenshilfe
: Der Mensch „braucht“ den Brauch!
Der festliche oder ausgelassene Charakter eines Brauches ermög-
licht es dem Menschen, sich über den Alltag hinauszuheben und das
Leben ganzheitlich mit allen Sinnen auszukosten. Der Brauch wird
zur Medizin gegen graue Eintönigkeit. „Ein Leben ohne Feste ist
wie ein langer Weg ohne Einkehr“, meint der griechische Philosoph
Demokrit. Jedes Fest ist ein Fest für die Sinne, es fördert Kreativität,
Ästhetik und Kommunikation, es fordert den ganzen Menschen mit
Kopf, Hand und Herz.
Brauchtum ist fast immer ein Grundphänomen des menschlichen
­Gemeinschaftslebens, es lässt das Zusammengehörigkeitsgefühl wachsen,
es wirkt
gemeinschaftsbildend
.
Auch der heutige Mensch ist trotz Technisierung und Wissensfort-
schritt eingebunden in die soziale Gemeinschaft, das Miteinander, das
Feiern und Festen, er ist abhängig von den Gaben, den Kräften und
dem
Rhythmus
der Natur und des Kosmos, auch wenn es ihm nicht
mehr so bewusst ist.
Bräuche und Feste unterbrechen den gleichförmigen Rhythmus des
Alltags. Sie markieren Knotenpunkte und Höhepunkte, manchmal
auch Grenzpunkte im Leben. Es tut gut, mit abgegrenzten Zeiten,