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Wesensmerkmale und Sinn des Brauchtums
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Neujahr
Feste, Feiern und Bräuche im Jahreskreis
Neujahr
Bei den Kelten begann das Jahr im November. Der Jahresbeginn eines
Mondjahres lag bei den ersten Römern im März, deshalb die Monatsna-
men September, Oktober, November und Dezember als der siebte bis
zehnte Monat. Der sagenhafte zweite König von Rom, Numa Pompilius
fügte zwei Monate dazu, den Januarius nach dem doppelgesichtigen Gott
Janus, dem Beschützer der Eingangstore, und den Februarius (lateinisch
„februare“ = sauber machen). Seit 153 v. Chr. ist der 1. Januar der Jahres-
beginn als der Tag des Amtsantrittes der zwei römischen Konsuln - der
obersten Beamten des römischen Staates.
Julius Cäsar führte 45 v. Chr. statt des Mondkalenders den aus Ägyp-
ten stammenden Sonnenkalender ein, den
Julianischen Kalender
, bei
dem der Jahresanfang auch auf den 1. Januar fiel. In vielen Teilen
Europas galt lange der 6. Januar als Anfang eines Jahres. 1582 war
mit der Einführung des
Gregorianischen Kalenders
die letzte große
Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. durch den Einschub von
Schaltjahren und Schalttagen alle vier Jahre. 1691 entschied sich Papst
Innozenz XII. für den Neujahrstag als Jahresbeginn am 1. Januar.
Der
Neujahrstag
ist das kirchliche Fest der Beschneidung und der Na-
mensgebung des Herrn. „Und als acht Tage um waren und man das Kind
beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus.“ (Lukas 2,21)
Am Neujahrstag wünschen sich Verwandte, Bekannte und Nachbarn
„A guats, gsonds nuis Johr!“, viel Glück und Erfolg, Gesundheit und
ein langes Leben. Im südlichen Ostallgäu, insbesondere in Pfronten,
ist das
Neujahrsschreien
(„S´Nuijohrschreie“) Brauch. Frühmorgens
bis zum Mittagsläuten ziehen Mädchen und Buben von Haus zu Haus
und überbringen die Neujahrswünsche: „Gelobt sei Jesus Christ.
A guots Nuis Johr alle mitanand !“ Dafür gibt es einen kleinen Geld-
betrag, Schokolade oder Obst.
mit den Römern in unser Land kam. Das Christentum hat heidnische
Bräuche zum Teil unverändert übernommen oder manche überhöht,
d. h. sie ­bekamen einen theologischen Hintergrund. Papst Gregor II.
schrieb im Jahr 723 an Bonifatius, der die dem germanischen Gott
Thor geweihte Donar-Eiche fällte: „Es muss ein jedes Fest zu Ehren
ihrer Götter in ein anderes umgeformt werden ... in Feste der heiligen
Märtyrer.” Volkskundler und Brauchtumsforscher Dr. Dietz-Rüdi-
ger Moser schreibt dazu kritisch: „Heidnisches, zumal germanisches
oder – wie man heute lieber sagt – keltisches Überlieferungsgut ist
jedenfalls nirgendwo nachzuweisen, wohl aber gibt es zahllose Ver-
bindungen zwischen dem heutigen Volksbrauch und der überkom-
menen Liturgie der abendländischen Kirche.“ Jedenfalls verschmel-
zen in vielen Bräuchen Weltliches, Heidnisches und Religiöses, so
dass Aberglaube und Glaube oft nicht klar zu trennen sind.
Bräuche sind ständig einem
geschichtlichen Wandel
unterworfen. Sie
verändern sich durch obrigkeitliche Verordnungen, durch politische,
wirtschaftliche, kulturelle und kirchliche Entwicklungen, durch
modische Zeitströmungen und gesellschaftliche Wertvorstellungen.
Bräuche sind auch regional unterschiedlich und können dabei auch
ihren Sinngehalt ändern.
Da die
Region des Ost- und Unterallgäus
seit Jahrhunderten durch den
christlichen Glauben und seine Tradition geprägt ist, werden in der
folgenden Zusammenstellung die Bräuche vor allem aus christlicher
Sicht erläutert. Vorrangig geht es in diesem Beitrag um die
Sinnhaftig-
keit
, um das Warum und Wozu und um die Gestaltungsformen, d. h.
die konkreten
Handlungsweisen
der Bräuche, kurz gesagt um das Verste-
hen und Gestalten von Bräuchen. Wer den Sinn eines Brauches nicht
weiß und nicht versteht, kann den Brauch auch nicht sinnvoll und
mit Überzeugung ausführen. Nur ein verstandenes Brauchtum kann
lebendig sein und bleiben.