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Feste, Feiern und Bräuche im Lebenslauf
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Wochentagsrituale - Sonntag
Wochentagsrituale
Rituale
sind vertraute Verhaltensmuster und wiederkehrende Hand-
lungsabläufe für bestimmte Situationen. Gerade Kinder wollen und
brauchen Rituale, um sich in der Welt wohl zu fühlen; sie geben ein
Gefühl von Sicherheit, Verlässlichkeit und Geborgenheit.
Schon die Babylonier kannten nach den vier Mondphasen die
Siebentagewoche und benannten die
Wochentage
nach den sicht-
baren sieben Planeten: Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus
und Saturn. Griechen und Römer übernahmen diese, die Germanen
übertrugen sie im vierten Jahrhundert n. Chr. auf ihre Götter. So
entstand nach dem Gott Tyr oder Ziu, dem Beschützer des Things
(germanische Volks- und Gerichtsversammlung) der Dienstag, nach
dem Gott Donar oder Thor der Donnerstag und nach der Göttin
Freya der Freitag. Nach der Christianisierung wollte man die heid-
nischen Namen zurückdrängen, dies gelang aber nur beim Mittwoch
(Wochenmitte) und beim Samstag, der seinen Namen dem „jüdischen
Sabbat“ verdankt.
In der Bibel ist ein wöchentlicher
Ruhetag
bildlich in Gott verwur-
zelt: „Und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk
vollbracht hatte“ (Schöpfungsbericht Genesis 2,2) und „Sechs Tage
darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhe-
tag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Ar-
beit tun“ (Zehn Gebote Exodus 20,9). Deshalb führten die Juden alle
sieben Tage einen arbeitsfreien Tag ein, den Sabbat. Diese Regelung
übernahmen die Christen, legten aber den Ruhetag als ersten Tag der
Woche auf den
Sonntag,
den Auferstehungstag am dritten Tag nach
der Kreuzigung. Um 110 n. Chr. schrieb Ignatius als Bischof von
Antiochien in einem seiner Briefe: „Wir feiern nicht mehr den Sab-
bat, sondern leben unter Beobachtung des Herrentages, an dem auch
unser Leben aufgegangen ist.“ Dass die ersten Christen am Sonntag
zusammenkamen und miteinander Gottesdienst und Eucharistie
Feste, Feiern und Bräuche im Lebenslauf
Zum Lebenslauf eines jeden Menschen gehören zahlreiche wichtige Sta-
tionen, Knotenpunkte des Lebens, die mit Festlichkeiten und Bräuchen
verbunden sind. Lebenslaufbräuche sind durch die Eckpunkte Geburt
und Taufe, Hochzeit und Ehe, Tod und Begräbnis zeitlich individuell
bestimmt. Sie sind nicht an die Natur, die Jahreszeiten oder den
Kalender, sondern nur an die Situation des Einzelnen gebunden.
In solchen Lebenswenden, in denen sich oft etwas Grundlegendes än-
dert, tut es gut, nicht allein zu sein, sondern in Gemeinschaft mit ande-
ren auf den eigenen Lebensweg zu schauen und als religiöser Mensch
ihn als einen Weg mit Gott zu begreifen. Diese Lebenshöhepunkte
werden vor allem im Kreise der Familie, der Verwandten und der
engeren Gemeinschaft gefeiert und können nur bei Hochzeit und
Beerdigung einen gewissen Öffentlichkeitscharakter bekommen.
Da auch unsere Region als Kulturraum nicht allein vom christlichen
Glauben, sondern von unterschiedlichen Weltanschauungen und
Lebenswelten geprägt ist und die individuelle Freiheit, die persönli-
che Selbständigkeit, die vielseitigen Informationsmöglichkeiten und
die Mobilität in unserer Gesellschaft immer mehr zunehmen, wer-
den auch die Rituale und Bräuche bei existenziellen Lebensstationen
individueller, beliebiger, variabler und vielgestaltiger. Die Gestal-
tungsweisen sind bedingt durch Unterschiede zwischen Stadt und
Land, durch Glaubens- und Weltanschauungsfragen, durch materiel-
le Gegebenheiten und durch die sozialen Beziehungsnetze. Besonders
auffällig ist dies bei Hochzeiten und Beerdigungen.
Die folgenden Ausführungen orientieren sich vorrangig an christlichen
Werten und Formen, da die meisten Bräuche des Lebens in unserer
Region christliche Wurzeln haben. Da sie aber vielen, auch Gläubigen,
nicht mehr so vertraut sind, sollen auch ausführliche Anregungen und
konkrete Hilfen für eine lebendige, sinnvolle Gestaltung
gegeben werden.