Seite 38-39 - Lechrain gesamt

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Trotz ihrer geschichtlichen Bedeutung wissen wir aber verhältnismäßig wenig über die
Huosi. In einem aus dem 8. Jh. stammenden Gesetzbuch, dem Lex Baiuvariorum, wer-
den die Huosi neben anderen Adelsgeschlechtern, wie z.B. dem ebenfalls bedeutenden
Herzogsgeschlecht der Agilofinger, erwähnt. Um 740 gründen die Huosi im Südosten
ihres Herrschaftsgebietes das erste Kloster Benediktbeurem, das an Bedeutung von al-
len anderen Klöstern unerreicht blieb. Der Huosigraf Engildeo trat damals selbst in das
Kloster ein. Es folgten weitere wichtige Klostergründungen der Huosi in Kochel, Staffel-
see (Insel Wörth) und Polling. Nachdem Bayern 788 in das Frankenreich zwangsweise
eingegliedert worden war, nahmen die fränkischen Reichshöfe als Verwaltungsmittel-
punkte an Bedeutung zu. Zu nennen sind hier insbesondere Dießen, Altenstadt und
Inning. Dießen und Eresing waren in frühmittelalterlicher Zeit berühmte Gerichtsorte.
Es dauerte nicht lange, da kamen auch die Huosi mit den machtbewussten Franken
in Berührung. Dabei hatten sie es mit einem mächtigen und selbstbewussten Gegner
zu tun, denn der Frankenkönig Pippin der Kurze regierte ein Reich von Gottes Gnaden
und das mit besonderer Unterstützung des Papstes. Jener hatte ihn gern gesalbt, denn
immerhin hatte Pippin 756 für ihn den Kirchenstaat geschaffen (sog. Pippinische Schen-
kung). Eine Hand wusch also die andere. Aber nicht nur machtpolitisch, auch im Bereich
der kirchlichen Organisation wurde der fränkische Einfluss spürbar. Denn als der hl. Bo-
nifatius als Bischof von Germanien das Bistum Augsburg gründete, wurde das Lechfeld
von den Franken christianisiert. Damals entstanden im 7./8. Jh. das Kloster Sandau bei
Landsberg und das Inselkloster Wörth bei Murnau, beide waren wohl frühere Gründun-
gen der Huosi, ferner erfolgte die Gründung des Klosters Wessobrunn (siehe Seite 22),
das mit Grund- und Kirchenbesitz im Landsberger Lechrain reich begütert war.
Die Alemannen hatten als Erste versucht, sich gegen die Übermacht der Franken auf-
zulehnen, aber am Ende nützte es ihnen nichts. In der Schlacht auf dem Lechfeld 741
wurden sie zur Raison gebracht. Als Nächste kamen die Bajuwaren dran. Bayernher-
zog Tassilo unterlag 743 in der Schlacht bei Ummendorf (siehe Seite 163
)
ebenfalls den
Franken und erfuhr anschließend von ihnen eine Demütigung nach der anderen. Hart-
näckig kämpfte er um die Zusicherung eines freien Bayern als Preis für seine Unterwer-
fung. Aber am Ende verlor er doch das Land und seine eigene Freiheit. In dem von ihm
gegründeten Kloster Wessobrunn wurde er zuerst gefangen gesetzt, weitere Stationen
der Gefangenschaft folgten. Der Frankenkönig hatte jetzt erreicht, was er wollte: Er füg-
te erstmals das Gebiet östlich des Lechs in sein Reich ein. Nach der heutigen Geschichts-
forschung kann man davon ausgehen, dass schon zur Zeit der Karolinger der Lech als
Grenze zwischen den beiden Stammesherzogtümern Schwaben und Bayern bestand.
Später beherrschte das Hochadelsgeschlecht der Welfen den Lechrain neben Ober-
schwaben. Die Geschichte dieses Grenzlandes am Lech hat als Erster mit wissenschaft-
lichem Blick Johann Georg von Lori (1723-1786) aufgezeichnet. Der aus dem Lechrain
stammende Bayerische Staatsrat und Mitbegründer der Bayerischen Akademie der Wis-
senschaften veröffentlichte 1768 seinWerk„Der Geschichte des Lechrain zweyter Band,
Urkunden enthaltend“, in dem er seine Heimat systematisch von der frühen Stauferzeit
bis zur Neuzeit untersuchte.
Pflanzenwelt: Im Frühjahr ist die Blüte der sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica) auf den
Streu-Wiesen zwischen Dießen, Raisting und Fischen eine besondere Augenweide. Da-
neben kommen noch folgende Pflanzenarten vor, von denen einige streng geschützt
sind: Fleischrotes Knabenkraut, Mehl-Primel, Lungen-Enzian, Stängelloser Enzian,
Kuckucks-Lichtnelke, Trollblume, Mädesüß. Die um den Ammersee vertretenen Natur-
schutzverbände, die Gebietsbetreuer und auch Volkshochschulen veranstalten Führun-
gen (Ammersee-Natur-Touren) zur Vogel- und Tierwelt, den Wildblumen und Kräutern.
Internet: Ammersee-Tour u.a.
Der Lechrain war einst bayerisches Grenzland
In unserer Zeit werden wieder die etwas altertümlich anmutenden Gebietsbezeich-
nungen„Lechrain“ und„Huosigau“ benutzt. Was diese Namen eigentlich bedeuten und
welche Gebiete sie ursprünglich umfassten, ist vielen jedoch nicht bekannt. In Dießen
hat es sich daher die Huosigau Heimat- und Trachtenvereinigung zur Aufgabe gemacht,
die Pflege des Brauchtums im Huosigau zu fördern, vor allem, um ein altes Kulturgut
vor dem Aussterben zu bewahren und es den Menschen wieder näherzubringen. Die
Mitglieder des vor über 100 Jahren gegründeten Vereins verkörpern ein Heimatbe-
wusstsein, indem sie sich zur alten Tradition der Huosi bekennen und alljährlich ihre
Huosigau-Heimattage in Dießen abhalten.
Als die Römer 300 n. Chr. abgezogen waren, sickerten die Bajuwaren als Teil der Völker-
schaft der Markomannen nach Bayern ein. Diese hatten sich zuvor nördlich am Main
und später in Böhmen niedergelassen und folgten jetzt den Flusstälern aufwärts, bis
sie den Lech erreichten. Das bedeutende Ur- und Hochadelsgeschlecht der Huosi war
bei der Einwanderung der Markomannen mit nach Bayern gezogen und ging später
im bayrischen Volk auf. Der nach ihm benannte Huosigau reichte imWesten bis an den
Lech, östlich bis über die Isar, im Norden etwa bis Fürstenfeldbruck und im Süden bis
zum Staffelsee.
Geheimnisvoller Lechrain