Seite 56-57 - Lechrain gesamt

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Pfarrkirche St. Georg: Die ehem. Dießener Pfarrkirche besitzt einen für diese Gegend sel-
tenen überdachten Aufgang und steht auf einem Hügel. Die Kirche ist von einer sehr ho-
hen Kirchhofmauer umgeben, die den Eindruck erweckt, als habe hier früher einmal eine
Burg gestanden. Der Chor ist noch gotisch angelegt, polygonal gebrochen; Probst Her-
kulan Karg, der Erbauer des Marienmünsters, ließ die Kirche 1750 im Barockstil umbauen
mit große Barockfenstern, der Turm oktogonal mit Zwiebelhaube. Das Innere zeigt eine
wertvolle Ausstattung: Stuckarbeiten von Franz Xaver und Johann Michael Feichtmayr,
Fresken von Josef Ziller. Der Hochaltar mit Figuren von Thomas Schaidhauf, Gemälde von
Matthias Günther. Seitenaltäre in Stuckmarmor von demWessobrunner Meister Thassilo
Zöpf. Auf der Südseite des Langhauses steht ein Beinhaus. Der idyllische Höhenfriedhof
bei der Kirche ist eine der ältesten christlichen Begräbnisstätten Bayerns.
Wandgemälde in Dießen: Graf Berthold II.
übergibt seine Tochter zur Erziehung dem
Stephanskloster.
In der näheren Umgebung:
Bischofsried: Das 1078 erwähnte
Dorf Piscofesried liegt am Abhang
des Jungfernberges. Der Name
heißt wörtlich übersetzt „Rodung
(durch die Leute) des Bischofs“. Den
sieben Quellen in Bischofsried mit
mächtigen Schüttungen verdankt
Dießen seinen Reichtum an qualita-
tiv gutem Trinkwasser.
Kapelle Maria Schnee: Die Kapelle auf zentralem Grundriss wurde um die Mitte des
17. Jhs. errichtet. Angeblich stammen die Steine von der alten Sconenburg. Der frühba-
rocke Altar umrahmt ein Gemälde, das die Maria-Schnee-Legende zu Rom (Santa Maria
in Maggiore) zeigt. Kuppelfresko mit hl. Maria aus dem 18. Jh.
Mechthildis war die Brotmutter des Ammersees
Unweit von Dießen steht, am Rande des Schatzberges im Wald versteckt, eine Kapelle
über einer geheimnisvollen Quelle, zu der alljährlich ein Bittgang vomKloster durch den
Wald stattfindet. Der seit alters her verehrte Brunnen ist nach der seligen Mechthildis
benannt, die den Menschen im Mittelalter als die Brotmutter vom Ammersee galt und
in den Seegemeinden hoch verehrt wurde. Mechthildis galt hier u.a. auch als Patronin
gegen Augenleiden. Vom Volk wurde sie auch als Schutzheilige gegen Gewitter ange-
rufen, und bei Unwettern läutete man die Mechtildisglocke, die einst nach der Legende
ein Goldhaar der Seligen enthielt. Die gläubigen Menschen kannten die Geschichten
von der wunderbaren Heilung einer Augenverletzung oder der Verschonung eines ein-
zigenWeizenfeldes vor Hagelschlag imweiten Umkreis, weil der Weizen zur Herstellung
von Hostien bestimmt war.
Seit 1682 feiert man in Dießen das Mechtildisfest, das mit einem Bittgang und mit be-
sonderem Wallfahrerbrauchtum verbunden ist. Der Bittgang zur hl. Mechthildis fand
alljährlich am 31. Mai statt. An diesem Tage wurde seit 1682 das Mechtildisfest gefeiert.
Um 5 Uhr früh wurde man von der unteren Kirche ausgeläutet. Am Kircheneingang, an
der linken Seite der Taufkapelle, ist das sog. Steinkissen der Mechthildis eingemauert.
Es gehörte zum festen Brauch auf der Wallfahrt, diesen Mechthildis-Stein zu berühren.
An diesemTag war es auch Brauch der Wallfahrer, kleine gebundene Kränzchen an ihrer
Ruhestätte niederzulegen.
Mechthildis war adeliger Her-
kunft und wurde um 1125
geboren. Schon im zarten Al-
ter von fünf Jahren gab Graf
Berthold II. seine Tochter zur
Erziehung in das Stephans-
kloster nach Dießen, wo sie
später Priorin wurde. Auf dem
Deckengemälde des Dießener
Marienmünsters ist diese Sze-
ne festgehalten. Auch auf dem
Haus Nr. 10 in der Dießener
Herrenstraße ist dieser Augen-
blick auf einem Wandgemälde
eindrucksvoll zu sehen. Die se-
lige Mechthildis vereinte in sich Liebreiz und Energie. Im Alter von 28 Jahren forderte
sie 1153 kein Geringerer als Papst Anastasius IV. selbst auf, als Äbtissin die Leitung des
Kloster Edelstetten bei Krumbach zu übernehmen, um dort für Ordnung zu sorgen.
Nachdem sie dort tiefgreifende Reformen durchgeführt hatte, kehrte sie kränklich nach
Dießen zurück. Am 31. Mai 1160 verstarb sie in Dießen.
Ihr Leib wurde zunächst im Stephanskloster beigesetzt. Ihr Vater, Graf Berthold II., trat
hochbetagt als Laienbruder in das Stift ein. 1468 hob man dann ihre Gebeine und legte
sie in einen Glassarg. Wenig später, 1484, wurde dieser Reliquienschrein in feierlicher
Prozession vom alten Kloster St. Stephan in das Marienmünster überführt und in einer
linken Seitenkapelle zur öffentlichen Verehrung ausgesetzt. Mechthildis von Dießen ist
dort auf einem Gemälde von Bartholomäus Holzer dargestellt und hier steht auch der
rote Marmorsarkophag, in dem sie einst beigesetzt war. Die Kapelle auf dem Burgberg
und der nahe gelegene Brunnen sind das Ziel des Bittganges. An der Brunnenkapelle
mit einer Grotte kann man lesen, dass die Quelle mit demWasser aus dem Brunnen der
Burg gespeist wird und die hl. Mechthildis oft hierher gekommen ist, um von demWas-
ser zu trinken. Deshalb gilt die Quelle seit jeher als heilkräftig und noch heute werden
hier Augenwaschungen vorgenommen. Esoteriker sprechen dem stark rechtsdrehen-
den Wasser sehr positive Eigenschaften zu. Die Mechthildis-Quelle besitzt zwar keinen
erhöhten Mineraliengehalt, es handelt sich aber um gutes „Heilwasser“.
Sicher ist, dass der mittelalterliche Mensch solche Plätze über alles liebte. Und das ist bis
heute so geblieben, denn der Ort hat seine Anziehungskraft nicht verloren. Vor allem
Liebespaare und solche, die es werden wollen, kommen gern hierher, sagt man - in der
Hoffnung auf zukünftiges Glück. Träumend hören sie vor der Kapelle dem lauschig ver-
sponnenen Glucksen des Brünnleins zu, so, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Hausmalerei in Dießen: Mechthildis als Nonne