Seite 66-67 - Lechrain gesamt

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Die heutige Gestalt und Anlage des oberbayerischen Bauernhofes geht auf frühe ger-
manische Hofanlagen zurück. Bereits in dem ersten schriftlich niedergelegten Gesetz
des bajuwarischen Stammes aus dem Jahre 750 werden die einzelnen Teile eines Bau-
ernhofes wie dasWohnhaus, der Stall mit Heuboden, der Schupfen, der Getreidekasten,
die Backstube und die Badstube aufgezählt. Diese „Lex Baiuvariorum“ beruht sogar auf
noch älteren merowingischen und westgotischen Gesetzen. Wenn die Nebengebäude
unregelmäßig unter Ausnutzung des Geländes umWohnhaus und Stall verteilt waren,
bezeichnete man dies als einen Haufenhof. Solche Anlagen findet man noch in Ober-
bayern. In der Regel sind aber Wohnteil, Stall und Tenne unter einem First (Dach) zum
Einfirsthof vereinigt.
Die Anordnung der einzelnen Gebäudeteile ist in Schwaben und Bayern unterschied-
lich. Bei der schwäbischen Bauweise liegt zwischen dem nach Osten gelegenen Wohn-
teil und dem nachWesten gelegenen Stall die Tenne (Mittertennenbau). Diese Form fin-
det man im Gebiet westlich des Lechs und nach Osten im Lechrain bis zum Ammersee
zum Beispiel in Oberschondorf
(siehe Seite 95). Bei der bayerischen Bauweise zwischen
Lech und Isar ist an den nach Osten liegendenWohnteil der Stall angegliedert, während
die Tenne den Abschluss zur Wetterseite imWesten bildet. Der Heuboden befindet sich
meist über dem Stall und der Tenne. Bei den großen Gehöften an der Isar liegt die Tenne
über dem lang gestreckten Stall, der sich an denWohnteil anschließt (Hochtenne). Über
eine erhöhte Auffahrt konnte man die Tenne vomWesten oder Süden mit dem Pferde-
wagen erreichen.
Bauernhof in Stillern
Auch imWandbau unterscheiden sich die Bauernhäuser in Schwaben und Bayern deut-
lich. Der schwäbische Wandbau ist ein Ständerbohlenbau, während das bayerische
Haus einen Blockbau aufweist. Die schwäbische Bauart besteht aus einem Gerüst aus
starken, senkrecht stehenden Balken (Ständern), die durch waagrecht liegende Bal-
ken verbunden sind. Die Felder zwischen dem Gerüst werden mit Bohlen ausgefüllt.
In bayerischen Gehöften wurde dagegen der gesamte Wohnteil als Blockbau errichtet,
indem man rechtwinklig behauene Balken waagerecht übereinander legte und sie an
den Ecken miteinander verzahnte. Den unteren Bereich nannte man Stubenstock, das
Obergeschoss Kammerstock. Es kam auch vor, dass man das Untergeschoss in Stein-
bauweise baute und nur das Obergeschoss aus Holz in der Blockbauweise.
Früher waren in Schwaben noch viele Häuser mit Stroh gedeckt, in Bayern wurden hin-
gegen für die Dachabdeckung sog. Legschindeln aus Holz verwendet. Die Dächer der
schwäbischen Häuser sind meist steil. Je weiter man nach Süden zu den bayerischen
Alpen kommt, desto flacher wird das Dach und springt weiter vor (sog. Wetterdach). Das
Legschindeldach wurde in höheren Lagen mit großen Steinen beschwert. Heute sind
die Dächer der bayerischen Höfe fast durchweg mit Ziegeln gedeckt.
Leider sind die alten Bauernhäuser mit den letzten Spuren lechrainischer Vergangen-
heit immer mehr vom Abbruch bedroht. Eine Reihe von örtlichen Heimatmuseen ver-
sucht zu retten, was zu retten ist, um das bäuerliche Erbe für die Nachwelt zu erhalten.
Andererseits wurden Museen wie das Kreisheimatmuseum in Riederau trotz des tiefen
Wandels auf dem Lande und des damit verbundenen Verlustes an Kultursubstanz 2005
aufgehoben. Die Bestände wurden in ein Depot in Landsberg ausgelagert; dort warten
sie nun auf bessere Zeiten, bis es zu der Errichtung eines zentralen Landsberger Lech-
rain–Kulturmuseums kommt. Das allerdings liegt noch in weiter Ferne.
Das Leben auf dem Land war einfach und hart.