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Pflanzen der Waldgesellschaften (6):
Der
Märzenbecher
(
Leucojum vernum
§;
S. 578), auch
Frühlings-Knotenblume
genannt, gehört zu den
Amaryllis-Gewächsen. Die Art wächst an feuchten Stellen in Wäldern und auf Wiesen, am Rande von Gebü-
schen und Hochstaudenfluren. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft mit Düngung ist der Märzenbecher
gefährdet und steht deshalb unter besonderem Schutz.
Das
Kleine Schneeglöckchen
(
Galanthus nivalis
§;
S. 578) aus der gleichen Familie ist mittlerweile ein häu-
fig anzutreffender Gartenflüchtling. Beide Arten wachsen miteinander vergesellschaftet anWaldrändern und in
Flussauen und enthalten in den Zwiebeln Alkaloide als Schutz vor Fraß.
Eine der häufigsten heimischen Arten aus der Familie der Mäusedorn-Gewächse ist die
Zweiblättrige Schat-
tenblume
(
Maianthemum bifolium
;
S. 579), die zwar giftige
Saponine
, aber entgegen der weit verbreiteten
Annahme keine
herzaktiven Glykoside
enthält. Die Früchte können mit denen der Preiselbeere verwechselt wer-
den. Die blütenlosen Sprosse der kalkliebenden Pflanze haben ein, Sprosse mit Blüte zwei netznervige Laubblätter.
Trotz seines betörenden Duftes ist das
Maiglöckchen
(
Convallaria majalis
;
S. 578) eine unserer giftig-
sten Pflanzenarten (
siehe unten
). Abgesehen vom Fruchtfleisch sind alle Pflanzenteile giftig. Bestimmte Tiere
fressen die roten Früchte (
Mitte
), ohne dabei die giftigen Samen zu zerkauen, nehmen auf diese Weise keinen
Schaden und tragen zur Samenverbreitung bei. Die getrocknete und zerstoßene Maiglöckchen-Wurzel wurde frü-
her angeblich zusammen mit gedampfter Bärengalle, Wolfsherz, pulverisiertem Menschenschädel und Elchsklaue
als Mittel gegen Epilepsie verwendet. Der Gattungsname ist dem Hohenlied Salomonis entlehnt:
Ego sum lilium
convallarium
(„ich bin eine Rose im Tal“), was auch im englischen Namen der Pflanze „Lily of the Valley“ Ausdruck
findet. Zum Muttertag ist das Maiglöckchen wegen seiner Giftigkeit allenfalls als Parfüm geeignet.
Der häufige
Stängelumfassende Knotenfuß
(
Streptopus amplexifolius
) mit den roten Früchten kann leicht
durch seine stängelumfassenden Laubblätter von der ähnlich aussehenden Vielblütigen Weißwurz (
Polygo-
natum multiflorum
; nicht abgebildet) abgegrenzt werden. Der kalkmeidende Knotenfuß, der zu den Mäusedorn-
Gewächsen gehört, gedeiht in Tobeln, Fichten- und Mischwäldern, aber auch auf Hochstaudenfluren und in Grün-
Erlengebüschen.
QuirlblättrigeWeißwurz
(
Polygonatum verticillatum
;
S. 578)
Der
Wohlriechenden Weißwurz
(
P. odoratum
;
S. 578; DW) kam im Mittelalter wegen der auf den Wurzel-
ausläufern befindlichen pentagrammförmigen Narben der vorjährigen Triebe magische Bedeutung zu. Wegen
dieser Male wird die Art auch als
Echtes Salomonssiegel
bezeichnet. Die
Vielblütige Weißwurz (
P. multiflorum
;
S. 578) hat bis zu fünf geruchlose Blüten, die sehr ähnliche
P. odoratum
ein oder zwei wohlriechende Blüten. Die
als giftig geltenden Früchte derWeißwurz-Arten enthalten
Saponine
, jedoch keine
herzaktiven Glykoside
. Sowohl
Maiglöckchen, Schattenblume als auch die Weißwurz-Arten gehören neuerdings zu den Mäusedorn-Gewächsen.
Maiglöckchen
Im Maiglöckchen (
Convallaria majalis
)
sind
Herzglykoside
, hauptsächlich
Convallatoxin,
enthalten, die wie
dieWirkstoffe des Fingerhutes (
S. 185) selektiv die Na
+
, K
+
-ATPase von Herzmuskelzellen hemmen und deshalb
eine Verwendung in der Medizin als Mittel bei Herzschwäche (
Herzinsuffizienz
) erlauben. Alle Pflanzenteile au-
ßer dem Fruchtfleisch sind giftig, den höchsten Wirkstoffanteil findet man jedoch in den Samen und Blüten. Ver-
giftungen gehen mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Schwindelgefühl einher, aber die typischen Symptome
einer Vergiftung sind eine bestimmte Art von Herzrhythmusstörungen (
Sinusarrhythmien
), hoher Blutdruck,
unregelmäßiger, rascher Puls, sowie Bewusstlosigkeit, bis schließlich der Tod durch Herzstillstand eintritt. Trotz
der hohen Toxizität bedarf es größerer Mengen an oral verabreichtem Convallatoxin, da es imMagen-Darm-Trakt
nur schwer aufgenommen wird. Im Frühling kommen regelmäßig Vergiftungen durch Verwechslungen mit Bär-
lauchblättern vor (
S. 180).