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Pflanzen auf Schuttfluren undWegsäumen (4):
Die Laubblätter des
Echten Johanniskrautes
(
Hypericum perforatum
;
siehe unten
;
S. 568) erscheinen im
Gegenlicht durchlöchert (
Mitte
), was auf die Lichtdurchlässigkeit der ölhaltigen Exkretbehälter im Blattgewe-
be zurückzuführen ist. Dieser Eigenschaft hat die Pflanze den Artnamen
H. perforatum
beziehungsweise den Na-
men
Tüpfel-Hartheu
zu verdanken. Der Stängel des Echten Johanniskrautes ist zweikantig und unterscheidet sich
dadurch von anderen Arten der Gattung mit vierkantigem oder vierflügligem Stängel (
S.197). Zerreibt man die
Kronblätter, so treten verschiedene rote Farbstoffe aus dem zerquetschten Gewebe aus (
rechts
). Die Pflanze wird als
Heilpflanze genutzt und wurde früher wegen der roten Pigmente zum Färben von Textilien verwendet. Der Name
Hartheu
bezieht sich auf das harte Heu, das selbst ein oder mehrere Jahre nach dem Absterben noch amWuchsort
steht (
zweite Reihe links
). Im Allgäu trifft man insgesamt acht Johanniskraut-Arten an.
Die wärmeliebende
Rotkelchige Nachtkerze
(
Oenothera glazioviana
;
S. 567) stammt aus den gemäßig-
ten Zonen Nord- und Südamerikas und besiedelt als
Pionierpflanze
kahle, vegetationslose Flächen.
Neben mehreren seltenen Nachtkerzen-Arten gibt es in den tieferen Lagen des Allgäus die
Gewöhnliche
Nachtkerze
(
O. biennis
;
S. 567). Die großen trichterförmigen Blüten der wärmeliebende Nachtkerzen duf-
ten nur nachts und werden von nachtaktiven Schwärmern und anderen Nachtfaltern mit langem Saugrüssel be-
stäubt. Interessant ist auch die Tatsache, dass sich Nachtkerzen-Blüten innerhalb weniger Minuten öffnen, wesent-
lich schneller, als dies unsere heimischen Arten tun.
Das
Schmalblättrige Weidenröschen
(
Epilobium angustifolium
;
S. 570), ein Nachtkerzen-Gewächs, wird
auch als
Feuerkraut
oder
Trümmerblume
bezeichnet, da die Pionierpflanze nach Waldbränden in Massen
erscheint und nach dem Krieg in zerbombten Städten häufig angetroffen werden konnte. In Explosionsfrüchten
entstehen tausende von Samen, die mit langen, silbrigen Flughaaren (
Mitte
) ausgestattet sind und mit deren Hilfe
die Samen kilometerweit vom Wind verdriftet werden. Aus den Haaren der Samen wurden früher Kerzendochte
geflochten. Von der Gattung
Epilobium
kommen insgesamt 16 Arten im Allgäu vor, die zur Bastardierung neigen.
Weder mit dem Gilbweiderich noch mit den Weidenröschen näher verwandt ist der
Blutweiderich
(
Lythrum
salicaria
;
S. 572). Die Art gedeiht auf feuchten ruderalen Standorten wie Gräben, Wiesen, Gebüsch oder
Mooren und wurde früher als blutstillende Heilpflanze verwendet.
Auf Magerrasen sowie an Straßen- und Wegrändern findet man das Einköpfige Ferkelkraut (
Hypochaeris uniflora
;
S. 569).
Echtes Johanniskraut
Johanniskraut (
Hypericumperforatum
;
erste Reihe und zweite Reihe links
) enthält den roten Farbstoff
Hyperi-
cin, ätherische Öle, Gerbstoffe, Flavonoide,
das antibakteriell wirksame
Hyperforin
und andere Inhaltsstoffe.
Hypericin hat
fotosensibilisierende
Eigenschaften bei Vieh, beim Menschen gibt es bislang keine Hinweise
dafür, dass nach der Einnahme Hypericin-haltiger Pflanzenteile oder Extrakte ungeschützte Hautpartien licht-
empfindlich und mit höherem Sonnenbrandrisiko reagieren. Da jedoch das körpereigene Entgiftungssystem
Cytochrom P-450 aktiviert wird, werden Fremdstoffe schneller umgebaut und ausgeschieden, so dass durch
die Einnahme von Johanniskraut-Extrakten die Wirkung bestimmter Medikamente abgeschwächt werden kann.
Deshalb sollen Johanniskrautpräparate, die in der Volksmedizin und Homöopathie bei Gicht, Rheuma, Gürtel-
rose, zur Wundheilung und bei depressiven Verstimmungen verwendet werden, nicht zusammen mit anderen
Medikamenten eingenommen werden.