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Schulaufgabe 1: Inhaltsangabe
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Wirtshaus, ritt aber am nächsten Morgen zurück und suchte den ganzen Weg ab, ohne Erfolg. Beim Pfarrer
des Dorfes stieg er ab und bat ihn, am nächsten Sonntag in der Kirche zu verkünden, er habe hier einen
Beutel mit 800 Gulden verloren. Wer ihn zurückbringe, dem wolle er 100 Gulden als Finderlohn schenken.
Nun war an dem Abend, als der Kaufmann nach Frankfurt geritten war, ein ehrlicher Zimmermann des
Weges gekommen, der von Frankfurt in sein Dorf zurückwanderte, müde von einem schweren Arbeitstag.
Hinter einer steinernen Brücke, wo der Weg noch gepflastert war, stieß er im letzten Abenddämmerschein
an einen harten Lederbeutel. Als er ihn öffnete, sah er Geld darin. Er nahm den Beutel mit und wunderte
sich, dass er so schwer daran zu tragen hatte. Müde, wie er war, legte er ihn in seiner Schlafkammer ab,
um ihn später zurückzugeben, wenn jemand danach fragen würde. Nachdem er mit seiner Frau das kärg-
liche Abendbrot gegessen hatte, legte er sich schlafen.
Am nächsten Sonntag ward in der Kirche des Dorfes, in dem der Zimmermann daheim war, auf der Kanzel
verkündigt, es seien 800 Gulden verloren gegangen, und wer dieselben gefunden hätte, dem wolle man
100
Gulden schenken, wenn er sie wiederbringe. Der Zimmermann war nicht in der Kirche gewesen, und
da man bei Tisch saß, sagte seine Hausfrau, es seien 800 Gulden verloren gegangen. „Ach”, sagte sie,
hätten wir doch den Sack gefunden, dass wir die 100 Gulden bekämen.” Der Mann sprach: „Frau, gehe
hinauf in unsere Kammer, unter der Bank bei dem Tisch auf dem Absatz von der Mauer liegt ein lederner
Sack, den bring herab.” Die Frau ging hinauf, holte ihn und brachte ihn dem Mann. Der Mann tat den Sack
auf, da waren die 800 Gulden darin, wie der Priester verkündet hatte.
Der Zimmermann ging zu dem Priester und fragte ihn, ob es wahr sei, dass er verkündigt habe, dass
man einem 100 Gulden schenken wolle. Der Priester sagte ja. Da sprach der Zimmermann: „Heißet den
Kaufmann kommen, das Geld ist da.”
Da war der Kaufmann froh und kam. Wie er aber das Geld gezählt hatte, warf er dem Zimmermann
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Gulden hin und sagte zu ihm: „Die 5 Gulden schenke ich dir. Du hast dir selbst schon deine 100 Gulden
genommen und dich selbst belohnt, es sind nämlich 900 Gulden gewesen.” Der Zimmermann sprach:
Komm mir nicht so, ich habe weder einen Gulden noch 100 genommen. Ich bin ein braver Mann.”
Das Geld ward bei Gericht hinterlegt und nach manchem Gerichtstag sollte die Entscheidung gefällt wer-
den. Man fragte den Kaufmann, ob er einen Eid schwören wolle, dass er 900 Gulden verloren habe. Der
Kaufmann sprach ja. Da sagte das Gericht: „Hebe die Hand auf und schwöre!” Danach fragte man den
Zimmermann, ob er auch einen Eid schwören könne, dass er nicht mehr als 800 Gulden gefunden habe.
Der Zimmermann sagte ja und schwur auch einen Eid. Da entschieden die Richter, dass sie beide Recht
geschworen hätten, derjenige, der die 900 Gulden verloren und der Zimmermann, der nur 800 Gulden
gefunden hätte. Der Kaufmann sollte nun einen suchen, der 900 Gulden gefunden habe, denn das wäre
nicht sein Sack. Der arme Zimmermann solle das Geld behalten, bis einer käme, der nur 800 Gulden
verloren hätte.
Also schlug Untreue ihren eigenen Herrn und ward das Sprichwort wahr: Wer zu viel will, dem wird zu
wenig.
Johannes Pauli