Innenteil Ortsteilgeschichte - page 12

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Ur- und Frühgeschichte
Unter Ur- und Frühgeschichte einer Gegend versteht
der Historiker diejenige Zeit, in der die Forschung sich
auf gegenständliche Quellen wie Keramik oder Metalle
und den jeweiligen Fundkontext, oftmals in Boden-
denkmalen wie Gräbern oder Befestigungsanlagen,
stützt. Ergänzend können noch schriftliche Quellen, die
meist aus einem anderen Kulturkreis stammen, hinzu-
kommen. Für unsere Gegend im Allgäu sind dies Quel-
len aus dem griechisch-römischen Kulturraum. Erst mit
der Zeit der Karolinger gibt es eine schriftliche Überlie-
ferung aus der eigenen Kultur – dazu gehört z. B. die
Urkunde mit der Ersterwähnung Hirschzells 839.
Die heutigen Kaufbeurer Stadtteile und früheren selbst-
ständigen Dörfer Hirschzell und Oberbeuren sind
Gründungen des frühen Mittelalters, die Burg Kemnat
wurde um 1183/86,
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also im hohen Mittelalter, erbaut;
aber auch vor der eigentlichen Ortsgründung gab es auf
der Gemarkung dieser Dörfer menschliche Aktivitäten.
Für diese lassen sich Hinweise über die Ortsnamenfor-
schung und über die Archäologie finden. Archäologi-
sche Forschung abseits der spektakulären zentralen
Fundorte lebt besonders vom Engagement und Einsatz
Einzelner, die mit wachen Augen und großem Interesse
die heimatliche Landschaft betrachten und durchstrei-
fen. Für unsere Gegend sind hier vor allem Kurat Chris-
tian Frank (1867-1942), Rudolf Schmid (1885-1967)
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und
Sigulf Guggenmos (1941-2018) zu erwähnen.
Archäologische Spuren der Anwesenheit von Menschen
in der Kaufbeurer Gegend stammen dabei frühestens
aus der Zeit um 10.000 v. Chr. Frühere Spuren sind
durch den bis nach Kaufbeuren reichenden Iller-
Wertach-Lechgletschervorstoß der Würmeiszeit wegge-
schürft worden.
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Auf dem noch in der Gemarkung
Hirschzells liegenden Freyberg (östlich der Wertach
und westlich der Mooshütte) finden sich auf der Hoch-
fläche, die steil zur Wertach abfällt, zahlreiche Wälle
und Gräben.
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Da dort im Jahr 1958 Scherben gefunden
wurden, ist die Annahme einer Höhensiedlung aus der
Urgeschichte denkbar. Über die Datierung der Kera-
mikfunde herrscht in der Fachwelt jedoch Uneinigkeit:
Datierungsansätze sind das Neolithikum (Jungsteinzeit
3000 - 2200 v. Chr.), die frühe Bronzezeit (2200-1600 v.
Chr.) oder die Urnenfelderzeit (1300 - 800 v. Chr.).
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Im
Spitalwald, nördlich des Freybergs und südlich Hirsch-
zells,
„befindet sich eine kleine ringförmige Wallanlage,
in der bronzezeitliche Keramik aufgelesen werden
konnte“
.
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Wie am östlichen Wertachufer bronzezeitli-
che Höhensiedlungen vorhanden waren – neben Frey-
berg und Spitalwald ist noch die Weinhalde in
Kaufbeuren zu nennen –, so gab es diese auch auf der
westlichen Wertachseite; neben der bekannten Märzen-
burg lag auch an der Hangkante zwischen Oberbeuren
und Märzisried südlich des Holderbrunngrabens eine
Abschnittsbefestigung.
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Fundmaterial aus der Hallstatt-
zeit (800 - 500 v. Chr.) findet sich auch bei Oberbeuren
und Hirschzell. Auf dem Gebiet der Burg Kemnat sind
Funde aus der Latènezeit (500 - 15 v. Chr.) aufgelesen
worden, nämlich spätlatènezeitliche Keramik mit Be-
sen- und Kammstrichdekor und Reste zweier Gefäße
aus Speckstein.
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Neben Befestigungen mit Wällen und Gräben und ma-
teriellen Funden wie z. B. Keramik – all dies ist For-
schungsgegenstand der Archäologie – lassen sich auch
aus Flurnamen oftmals Rückschlüsse ziehen: So ist
südlich des Hirschzeller Schlossbergs die Bezeichnung
Weyherberg auf den Positionsblättern im Maßstab
1 : 25.000 des frühen 19. Jahrhunderts zu lesen; in frühe-
ren Zeiten hieß diese Gemarkung noch zutreffender
Weihenberg. Dieser Name ist ein Hinweis auf eine vor-
christliche Kultstätte.
9
Andreas Weileder
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Latentezeitliche Keramik mit schlichtem Strichband-Dekor
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