holztod - page 18

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Max und Moritz
„Moanst, dass so bleibt?”, fragte der Brenner Max am frühen Nachmittag jenes Tages
seinen Nachbarn.
„Ja mei, du woaßt doch, dass so a Wetter im Januar imma moi gibt!”, entgegnete der
Hübner Anton, Bauernsohn wie Max. Dann schauten sie ungläubig hinauf in den blank
geputzten, weiß-blauen bayerischen Himmel, lupften kurz ihre Hüte, fuhren sich mit
den Fingern durch das dichte, struppige Haar. Max durch seine schwarz schimmernden
Locken, die ein wettergegerbtes, jugendlich frisches Gesicht umrahmten. „Du brauchst
bloß noch an schönen Bart, dann kannst in Oberammergau bei de Passionsspiele mit-
macha”, hatte seine Mutter an seinem letzten Geburtstag gemeint.
Gerne schaute Max die alten Bilder seines Vaters an, die beim Herrgottswinkel an der
Wand hingen, stellte dabei jedes Mal fest, dass er dessen Gesicht, nebenbei auch die kräf-
tige Statur, von ihm geerbt hatte. Die meisten seiner Mitschüler überragte er schon in
der ersten Klasse um ein gutes Stück. Derweil war er bei ein Meter fünfundachtzig ange-
langt und mit seinem Aussehen mehr als zufrieden. Eine ebenmäßige Nase zwischen den
graugrünen, klar strahlenden Augen, aus denen eine wilde Lebensfreude blitzte. Dunkle
Augenbrauen unter der kräftigen Stirn, die markanten Wangenknochen und das kantige
Kinn zeugten von Selbstbewusstsein und innerer Stärke. Ein Gesicht, das jedem sagte:
„Komm mir ja nicht zu nah!” Dies galt aber nur für die Burschen im Dorf, denn die
Mädel mochten ihn, und er sie. War er doch nicht so ein ungehobelter, ungebildeter Bau-
ernbursche wie manch anderer, las jedes Buch, das er in die Finger bekam. Begeisterte
sich für die Geschichte und Kultur seiner Vorfahren. Max genoss seine Beliebtheit, blieb
dessen ungeachtet aber bescheiden, zurückhaltend und friedlich; nur dumm kommen,
das durfte ihm keiner.
Anton allerdingswar vonganz andererNatur. Er hatte es in seinemLeben immer schonum
vieles schwerer gehabt. Struppige, aschblonde Haare wucherten auf seinem zu großen, ir-
gendwie unförmig ausschauendenKopf. Eine hohe Stirn, darunter kleine, graue Schweins-
äugerl ohne viel Glanz, Ausstrahlung und Geist. Ihm fehlte etwas von der Lebensfreude
und Kraft, die Max erfüllten. Zu allemÜbel war er ein wenig zu kurz geraten, maß gerade
mal ein Meter siebzig, worauf der große Kopf gar nicht so recht passen wollte. Bereits in
der Schule hielt er sich an Max, wenn es Streit gab, der in eine Rauferei ausartete, wobei
er ohnehin meist den Kürzeren zog. Max ließ sich nichts gefallen, genauso ließ er An-
ton nicht im Stich und griff ein, wenn die Gefahr bestand, dass der wieder mal Dresche
bekommen würde. Wenn´s bei Anton in der Schule oder bei Hausaufgaben mit dem
Denken nicht so recht hinhauen wollte, dann stand ihm Max auch da zur Seite, flüsterte
ihmmanche Lösung ins Ohr. Zuweilen wünschte sich Anton, Max wäre sein großer Bru-
der. Doch auch der war ein Einzelkind und gerade deshalb war Anton glücklich, Max als
guten Freund an seiner Seite zu wissen. Allzu früh hatten beide ihre Väter im Krieg ver-
loren, fühlten deshalb eine gewisse Seelenverwandtschaft. Mussten das gleiche Schicksal
ertragen und die Arbeitskraft des Vaters auf dem Hof ersetzen.
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