holztod - page 12

12
Etwas aus noch älterer Zeit - Die Sage vom Hungerturm
„Es war einmal in alter Zeit ein Ritter von Waldeck. Tapfer und gottesfürchtig, der als
Kreuzfahrer ins gelobte Land zog, sein schönes, eheliches Weib der Obhut seines Schloss-
vogtes anvertraute. Wie alle bösen Vögte, hieß dieser Golo. Alsbald entbrannte der treu-
lose Diener in Liebe zur schönen Waldeckerin und wusste ihr durch einen gedungenen
Helfershelfer die falsche Botschaft zu hinterbringen, dass ihr Gemahl im Kriege gegen
die Ungläubigen eines heldenmütigen Todes gestorben sei. Der böse Vogt freite nun um
die Hand der trauernden Witwe und wurde erhört. Nicht lange aber genossen beide das
Liebesglück. Denn plötzlich stand der von den Türken erschlagene Gatte munter und ge-
sund vor der Tür. Natürlich hoffte er, sein in Sehnsucht auf ihn wartendes Weib zu sehen.
Doch was musste er sehen, dieses lag in den Armen eines anderen! Vor Wut entbrannt
über den Bruch ehelicher Treue, ließ er auf der Insel Wörth, die mitten im See, gegenüber
der Burg lag, einen Turm erbauen und den Buhler samt untreuer Gattin dorten hin-
einwerfen und bei lebendigem Leibe gar jämmerlich verhungern. Noch heutigen Tages
heißt man den Platz, wo einst der Turm stand, ‚beim Hungerturm‘.“
Quelle: Chronik von Schliersee
Doch manche fanden es trotz seiner Lieblichkeit wohl am See nicht so lustig, zogen wei-
ter über oder um die Alpen herum nach Österreich und ins heutige Südtirol. Saftige
Wiesen, unendliche, an Wild reiche Wälder sowie Seen mit schmackhaften Fischen sorg-
ten für alles, was sie brauchten. Gleichfalls um dort zu überleben, erfanden die cleveren
Nachkommen der Neuzeit eine einträglichere Art von Jagen, Fischen, Fallenstellen und
der Bodennutzung. Sie wurden Gastwirte, Hotelbesitzer, Winzer, Landwirte, Liftbetrei-
ber, Skilehrer, Wanderführer oder sangen lustige Schnulzen und Volkslieder. Zwecks Ge-
winnoptimierung kreierten clevere Staatsbeamte eines Tages das „Bickerl“, eine moder-
nere Form archaischer Wegelagerei, nahmen mit der Maut Touristen und Skifahrer wie
Weihnachtsgänse aus und erlangten damit beträchtlichen Reichtum.
Längst sind es aber nicht nur Bajuwaren, die gerne, besonders an sonnigen Wochenen-
den, in großer Zahl, jedoch ohne Schwert, Pfeil und Bogen, in den kleinen Ort einfallen
und für beträchtliche Unruhe sorgen. Diese Gäste - meist sind es „Unbayern“ - kommen,
imGegensatz zu den urzeitlichen Touristen, überwiegend in friedlicher Absicht, kleinere
Scharmützel aber sind dennoch nicht ausgeschlossen. Dies ist zum einen dem übermä-
ßigen Genuss von einheimischem Bier, das überwiegend aus München importiert wird,
und dem Obstler und zum anderen der Gier nach preiswertem Bauland geschuldet. In
der Landeshauptstadt München ist solches nämlich noch teurer, die gut fünfzig Kilome-
ter bis an den schönen Schliersee nimmt man deshalb locker auf sich.
Entschuldigen S´, jetzt bin ich ganz ungewollt von der ursprünglichen Geschichte abge-
kommen, die begann nämlich bereits lange Jahre vorher.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16,17,18,19,20,21,22,...128
Powered by FlippingBook