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„Die Jahre ohne Sommer“
Aber lassen Sie mich, bevor wir erneut an den Schliersee zurückkehren, an dieser Stelle
etwas einflechten, das ich erst kürzlich im Internet gelesen und zudem von einem ehe-
maligen Dorfschullehrer erfahren habe. Ein lange zurückliegendes Ereignis, welches sich
im Jahre 536 zutrug. Eines, demgegenüber der Holztod - wie nannte es ein Herr Gauland
- „ein Fliegenschiss in der Geschichte“ war. Damals verdunkelte sich nämlich der Him-
mel, die Temperaturen fielen. Auf der Nordhalbkugel gingen die Ernten ein. Schlimme
Hungersnöte plagten die Menschen, Tausende ließen ihr Leben, da die Natur nicht mal
mehr das Nötigste hergab. Was war der Grund ? Heute kann es die Wissenschaft bewei-
sen. Ein Vulkanausbruch auf Island jagte damals, wie einen riesigen Schleier, gewaltige
Aschemengen um den Erdball. Ein ungünstiger Zeitpunkt, gerade da auf dieser Welt sein
zu müssen. Ein schlimmes Jahr, welches die Welt ins Unglück stürzte. Die Sonne, ohne
ihre Strahlkraft, leuchtete das ganze Jahr hindurch nur wie der Mond, hinterließ den
Eindruck, als wenn sie ganz verfinstert sei. So berichtete damals der byzantinische Ge-
schichtsschreiber Prokopius. Eineinhalb Jahre soll es am Tag kaum hell geworden sein.
Gleiches geschah Hunderte Jahre später, 1815 in Südostasien, als der Vulkan Tambora
auf Sumbawa in Indonesien ebenfalls riesige Aschewolken in die Troposphäre, somit bis
in etwa fünfzehn Kilometer Höhe, schleuderte und gleichfalls Missernten und Hungers-
nöte auslöste. „Ein Jahr ohne Sommer“ nannte man diese apokalyptische Katastrophe.
Über 71.000 Menschen sollen dabei ihr Leben verloren haben, die Verbliebenen ihre
Heimat. Auch unsere Gegend war damals im 18. Jahrhundert davon betroffen. Nähe-
re Ausführungen hierzu würden hier jedoch den Rahmen sprengen. Doch noch etwas
Außergewöhnliches geschah damals im Jahr danach.
Ein Lied geht um die Welt
Da schrieb nämlich 1816 ein gewisser Hilfspfarrer, Josef Mohr aus dem österreichischen
Lungau, ein Gedicht, welches, zusammen mit einer 1818 vom Dorfschullehrer und Or-
ganisten Franz Xaver Gruber komponierten, schlichten Melodie, als das weltweit be-
kannteste Weihnachtslied noch heute in vielen Ländern, von zwei Milliarden Menschen,
in über 200 Sprachen zu Weihnachten inbrünstig gesungen wird: „Stille Nacht, heilige
Nacht“. Dass zu dieser Zeit jener „vulkanische Winter“, in dem die Temperaturen um gut
drei Grad sanken, also auch hier in unseren Breiten „ein Jahr ohne Sommer“ auslöste,
den Menschen das Leben erschwerte, dürfte - wie mir - den wenigsten bekannt sein.
Mit Sicherheit werde ich in Zukunft an Weihnachten, beim Singen dieses Liedes daran
denken, sowie den derzeitigen Klimawandel mit anderen Augen sehen und mit Tränen
in den Augen an die Kinder von morgen denken. Vielleicht auch Sie?
Doch folgen Sie mir jetzt bitte wieder zurück in die ursprüngliche Geschichte, in eine
manchen Tags ebenfalls unheilschwangere Epoche.
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